Seelosophie

Dienstag, 13. Oktober 2015

Gottes Werk und Rillas Beitrag

Nach so ziemlich dem furchtbarsten Arbeitstag seit vier Jahren sitze ich am Esstisch und korrigiere Aufsätze.

Der Tag begannt um 7:50 Uhr mit einem "WiesozumHenkerbinicheigentlichaufgestanden????" und endete 15:05 Uhr mit "KreuzgranatenheubirnbaumwiesobinichheuteMorgeneigentlich aufgestanden".

Ich denke, daß jeder Lehrer nach manchen Acht- Unterrichtsstunden-Tagen so etwas nachvollziehen kann. Zum Beispiel den Wunsch, sich in der Lehrerzimmerspülmaschine zu ertränken oder den Rotstift, den man gerade zum Korrigieren benutzt, quer zu verschlucken. (Was den Vorteil hätte, dass die Schokolade, die man gerne essen würde, um sich zu trösten, nicht durchpassen würde...)

Gerade korrigiere ich Aufsätze (Stellungnahme) zur Flüchtlingsproblematik (wenn es eine solche geben sollte) und bin hin- und hergerissen zwischen "Super geschrieben", "Recht habt ihr" und "schon wieder: Wenn sie sich nicht benehmen, können sie wieder gehen".

Unsere Schule liegt direkt neben einem Flüchtlingsheim, viele meiner Mädchen berichten von verbaler sexueller Gewalt, die meisten wollen helfen, einige schreiben sehr intelligent vom internationalen Versagen der UNO und des Weltsicherheitsrates.

Was ist eigentlich meine Meinung... als Frau, die seit zwölf Jahren Migranten und Flüchtlinge unterrichtet, die schon viele zitternde Hände gehalten hat, die nachts weinte, weil ihr eine Schülerin erzählte, wie sie mit ihrem Kind alleine über die Berge im Iran flüchtete, weil ihr Mann erschossen wurde.

Wo bin ich in dieser Diskussion? Darf ich als Lehrerin eigentlich eine Meinung haben?

Die Offenheit dieser 60 Aufsätze macht mich zumindest eines: Sehr dankbar, daß meine Klassen mir vertrauen und ich bin unendlich stolz, daß meine Schüler eine eigene Meinung haben und diese auch äußern.

Auch wenn ich vieles schon hundertmal gehört habe und einiges nach Bildzeitung, Günter Jauch oder Anne Will klingt.

Sonntag, 11. Oktober 2015

So weit entfernt von Schumann

Als ich noch Angst vor dem Abitur hatte, die sommerlichen Nachmittage auf dem nahen Hausberg verbrachte und mir vorgaukelte, daß ich für Mathe lerne, hatte ich auch Klavierunterricht.
Ich nehme an, ich war ganz gut, hätte natürlich aber besser sein können, wenn ich nicht so viel Zeit auf dem nahen Hausberg, sondern mehr an meinem Klavier verbracht hätte.
Chopin und die schweren Fantasien von Mozart jagten mir damals allerdings nicht so viel Grauen ein, wie die Kinderszenen von Schumann. Das "Steckenpferd" hätte meiner Ansicht gerne in der Ecke stehen bleiben können, "Fürchtenmachen" gruselte mich und die "Träumerei" jagt mir immer noch kalte Schauer über den Rücken, weil ich mich daran erinnere, wie mein Klavierlehrer irgendwann seufzte, ich wäre wohl nicht besonders romantisch und wieder zu Mozart überging. Das war es dann mit dem Traum, ich könnte mich in der großartigen deutschen romantischen Klaviermusik zurechtfinden.

Gestern Abend gingen wir schlafen und ich befürchtete, ich könnte von meinem Kartoffelgratin träumen, das nach fast 1,5 Stunden zwar wunderbar duftete und goldbraun war, aber neben hervorragend gegarten Apfel- und Zucchinischeiben eine Anzahl noch relativ bißfester Kartoffelscheiben enthielt. Ziemlich seltsam, wenn man bedenkt, daß ich die Kartoffeln mit der feinen Einstellung der Küchenmaschine geschnippelt hatte und das restliche Grünzeug fast dreifach so dick war.
Ich träumte nicht von Kartoffeln, aber dafür von Harry Potter, der in meinem Wohnzimmer saß und sich beschwerte, daß der Hogwarts-Express zu früh abgefahren war. Der Grund hierfür war klar, nachdem wir abends "Die Kammer des Schreckens" gesehen hatten... (Waren da neue Szenen drin? Einige kannte ich nicht!)
Dann wanderte ich durch meine Schule und wurde von einer Kollegin darauf hingewiesen, daß es in der Mensa heute Thunfisch gäbe und ob es möglich wäre, daß wir abends ihre Küche renovieren. Damit konnte ich leben und stand auf, um etwas zu trinken.
Als ich nach einer Viertelstunde wieder aus Küche und Badezimmer zurückkam (... irgendwie ist es schön, nachts in der Küche zu sitzen und aus dem Fenster zu sehen...), kroch ich ins Bett zurück und träumte von einem Elefanten, der Schnupfen hat. Nachdem ich den Elefanten neben mir auf die andere Seite gedreht und ihm einen Kuß gegeben hatte, träumte ich, daß ich mit meinem Bruder Kaffee trinke und der Nachbar meines Männes in Unterhosen auf dem Küchentresen sitzt und heiße Schokolade trinkt. Mich beunruhigten nicht so sehr die Unterhosen, als meine Lieblingsringelsocken, die er anhatte. Also wachte ich zum dritten Mal in dieser Nacht auf und überlegte, wann ich im letzten Winter eigentlich zum letzten Mal meine Ringelsocken getragen hatte.
Da es halb neun war, fand ich es angemessen, jetzt aufzustehen und Kaffee zu kochen und setzte mich im Nachthemd in die offene Loggia. Dummerweise hatte ich übersehen, daß unsere türkische, sehr traditionelle Nachbarin unten auf dem Balkon Wäsche abhängte und nun etwas indigniert mein Outfit und die nackten Beine (... und anderes...) betrachtete.
Also stand ich zum vierten Mal auf, weckte mit einer Tasse Kaffee den noch Schlafenden, der behauptete, er hätte nichts geträumt.

Ich hoffe, daß ich Fatma keine Alpträume verpasse. Wenn ja, hoffe ich, daß sie mir sagen kann, wo ich meine Ringelsocken habe.

Samstag, 10. Oktober 2015

Einmal wieder herbstliche Seegedanken

Wirklich? Ist es schon wieder zwei Jahre her, daß ich hier geschrieben habe? Was ist nur in dieser Zeit passiert?
Ständig denke ich an meinen Blog und an euch, die Ihr ihn nicht lest und an die Gedanken, die in meinem Kopf Walzer tanzen... aber irgendwie komme ich doch nicht zum schreiben.

Nun: Update.
Ich arbeite immer noch als Lehrerin, ich koche immer noch, ich fahre immer noch Auto (unfallfrei, mit klassischer Musik, ohne Beulen und Schrammen), trage immer noch die gleiche Kleidergröße, habe immer noch den gleichen Mann und die gleiche Steuerklasse und mache immer noch Tag für Tag das Gleiche.
Dennoch ist jeder Tag ein bißchen anders. Immer wieder gibt es kleine Varianten - und solche, die ein bißchen größer sind. Bilder kommen und gehen, die Tage bringen Glück oder Leid.

Und ihr, da draußen? Habt ihr euch verändert? Seid ihr immer noch die Gleichen?

Nicht einmal der See ist gleich geblieben. Neulich erst wurde bei einer wissenschaftlichen Messung entdeckt, daß der Bodensee nicht so tief ist, wie man zunächst dachte. Ein bißchen weniger Platz für die Fische, die sich aber vermutlich nichts daraus machen.

Verändert ist auch der Plan für das heutige Abendessen.Da wir gründlich verschlafen haben, hatte unser Fleischer kein artgerechtes Fleisch jener glücklichen FreilauftraditionszüchtungsingrünenWiesenliegenden Schweine mehr, das einmal im Monat unser gleichbleibendes Spätnachmittagsabendessen darstellt, nachdem wir gleichbleibend den ganzen Tag nichts Ausführliches gegessen haben. Zum Wochenmarkt war es auch zu spät. Und jetzt?
Kaufe ich unglückliches Gemüse aus dem Supermarkt und mache Gemüsegratin? Spaghetti? Oder eine Pizza bestellen? Immer das gleiche Problem... und die gleiche reizvolle Frage, wo in meinen Kochbüchern ich die knackende Inspiration für den heutigen Abend finde.


Euch ein schönes Wochenende, ganz gleich, ob ihr euch verändert habt oder nicht.
Eure Rilla
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Sonntag, 23. Oktober 2011

Endungen

Endungen sind eine merkwürdige Sache.
Im Deutschunterricht markieren sie die Mittelspur zwischen Verzweiflung und Agonie meiner Schüler, die behaupten, das nie zu lernen, sie aber beim Sprechen bereits instinktiv richtig machen. Meine Standardreaktion ist dann ein "Ha!" und "Richtig gesprochen!".
Der Freitag Abend endete mit einem Glas Cola und der Ankündigung, dass Samstag Abend Freunde zum Essen kommen.
Der samstagmittägliche Marktbummel endete mit einem Plausch mit dem Hirten, der mir eine prachtvolle Lammkeule verkaufte und einem anschliessenden Hock im "Café Wichtig", das deswegen so heisst, weil jeder, der dort am Samstag ist, echt wichtig ist. Abgesehen von mir, denn ich bin nur der nebenwichtige Anhang meines wichtigen Freundes, der seine Wichtigkeit noch den Tag durch behielt, weil er all die Dinge in selbstloser Freundlichkeit zusammentrug, die nach dem Einkaufen dann doch nicht in der Küche zu finden waren.
Der Samstagmittag endete mit Gemüseschnippeln und einem verliebten Zwiegespräch mit meiner Lammkeule, die anschliessend ein vierstündiges Nickerchen bei 80 Grad in einem Mantel aus Kräutern, Gemüse, Zitronensaft und Weisswein nahm.
Meine Kochorgie endete in der Badewanne um in den baldigst auftauchenden Besuch überzugehen. Nach Kürbissuppe, Lammkeule mit grünen Bohnen und Ofenkartoffeln, Vanilleflan und gedünstetem Obst konnte der Besuch nur noch wohlig stöhnen und gegen Elf wanderten sie zufrieden nach Hause. Die Lammkeule endete übrigens butterweich auf unseren leergekratzten Tellern.
Wir hingegen endeten friedlich aneinandergekuschelt auf dem Sofa und der Tag endete schliesslich mit Telemann im Radio bei Kerzenschein.
Der heutige neblige Tag endete mit einer verschlafenen Zugfahrt und klingt jetzt gemütlich auf dem Sofa aus.
Und damit endet auch mein einwöchiger Urlaub. Harte Sache. Mich graut schon jetzt davor, morgen um 5 Uhr aufzustehen. Aber der morgige Tag ist der Anfang von neuen Endungen: Beispielsweise einer Woche voller Proben vor drei Konzerten, nach denen die diesjährige Konzerttournee endet, der Beginn des 2. Teils meines B1-Kurses, der nach dem nächsten Monat endet und in zwei Wochen das Ende meiner augenblicklichen Diät.

Und was kommt danach? Keine Ahnung... ich bin schon gespannt. Die Anfänge vom Ende sind doch schliesslich das, was unser Leben so würzig macht wie eine heisse, knusprige Ofenkartoffel.

Montag, 26. September 2011

Frieden der Zeitungsasche

Er ist wieder weg.

Seit zwei Monaten beherrschte ein kleiner, alter Mann in weißen Kleidern, mit ziemlich klugem Kopf und stellenweise verstaubten Ansichten die Titelbilder der Tageszeitungen, Magazine, Fernsehsendungen, Blogs und Foren.
Nach genau vierunddreissig Tagen hatte ich so dermaßen die Nase voll, dass ich die Zeitungen nur noch überflog und das katholische Forum nicht mehr betrat. Zwischendurch legte ich mich mit Menschen an, die ihre Bälger in katholische Kindergärten schicken und gleichzeitig aus der Kirche ausgetreten sind, mit allen möglichen wie auch immer geplagten Kreaturen und mit solchen, die zwar viel reden, aber bislang genau viermal eine Kirche betreten haben.

Es macht keinen Spass mehr. Man engagiert sich für das Gemeindeleben, unsere Kirchen sind voll, aber von überall her kommt nur Totengesang, Aschewedeln und Unkenrufe.
Wir haben keine Missa Tridentina, eine funktionierende und fast überfüllte Jugendgruppe, vier volle Gottesdienste am Wochenende, acht Kirchenchöre in drei Gemeinden. An der Fronleichnamsprozession nehmen knapp 1000 Menschen teil und bei der letzten Kirchenzählung saßen über 500 Menschen in der Kirche.

Sind wir die lauen Christen, von denen der Papst sprach? Entvölkern wir die Gemeinden? Was ist selbstgestrickter Glaube?

Es ist nicht das Aufleben der Gemeinde in ihren Aktionen, auch wenn diese manchmal vom Messbuch abweichen. Unsere Gemeinde ist so lebendig, weil sie den Menschen Identifikationsflächen bietet. Manchmal sind es die vielen Touristen, die hier jemanden zum Zuhören finden. Obdachlose, die ausruhen und einen Kaffee trinken können. Andere lieben Musik und finden sich zur musikalischen Abendandacht ein. Ein Gottesdienst mit Musik. Und es werden immer mehr.
Unsere Frauen arbeiten - auch wenn sie geschieden sind! - in der Gemeinde mit, sie sind Trägerinnen der Liturgie, sie sind diejenigen, die die Katechese machen. Sie sind ehrenamtlich als Seelsorgerinnen tätig. Bei uns arbeiten auch Homosexuelle mit.

Es widerstrebt mir zutiefst, meinen Glauben und meine Gemeinde gegen ein Bild von Kirche verteidigen muss, das inzwischen Mainstream geworden ist.
Wer von denjenigen, die sich in der Öffentlichkeit so ereifern, haben schon einmal aktiv in einer Gemeinde mitgewirkt? Und wer von ihnen versteht, dass der Papst und seine Mannschaft eigentlich weit weg ist - irgendwo in einer italienischen Kleinstadt.
Und dass ein Leben in Christus zwar die Kirche als Identifikationsobjekt braucht, ohne eigenes Zutun und handeln aber wie ein Gaffer ist.

Dienstag, 24. Mai 2011

Ich konnte nicht widerstehen...

... der Anblick war einfach zu köstlich. Zweimal nackte Hinterteile vor dem Gerichtsgebäude in Ulm.

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Was hat sich der Künstler wohl bei der Kombination Löwe - Bücher - nackte Sitzflächen und Gericht gedacht? (-;

Sonntag, 22. Mai 2011

Weltuntergangsstimmung

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Am Freitag las ich einmal mehr die Zug-Zeitung der Schweiz, die schlimmer ist als "Guck", "Blup" und "Blind" zusammen und erfuhr, dass am 21. Mai (mal wieder) der Weltuntergang bevorstünde.
Da ich ja nun aus einer Sekte wegkonvertiert bin, ist mir der Weltuntergang ein vertrautes Phänomen und ich wuchs mit den grauenvollen Beteuerungen meiner gläubigen Verwandten und der "Brüder" aus der "Neuschwafologischen Klitsche"* auf, die mir versicherten, das Tausendjährige Reich stünde täglich bevor und man müsste ja immer die Wohnung aufgeräumt haben, dürfe nicht ins Kino oder die Disko gehen und ein Fremdgläubiger sei ja ohnehin verloren. Gut, dass meine Eltern und wir das so nicht mitmachten.
Nun, gestern war es wieder so weit. Wir standen auf und frühstückten. Ich zog mein neues Sommerkleid an und wir gingen in die Stadt, wo ich zunächst für unseren Italienurlaub einen wunderhübschen breitkrampigen Strohhut erstand und wir dann auf dem Markt einkauften. Anschliessend setzten wir uns ins "Café Wichtig" und tranken Weisswein.
Abends besuchten wir das Theater und hatten zuvor noch ein ausgiebiges Dinner, zu dem ich mein (ebenfalls neues - was soll man machen, wenn man nach 30 Kilo Abnahme in nichts mehr reinpasst??? - Abendkleid anzog) und genossen den Abend.
Um etwa 23 Uhr donnerte es apokalyptisch, es war aber nur ein Feuerwerk über Neu-Ulm.

Heute Morgen erwachten wir mit Vogelgezwitscher und Sonnenschein und gehen gleich spazieren. Auf dem Tisch steht ein Teller mit saftigen gelben Birnen, die Sauerbraten-Marinade für nächste Woche kühlt vor dem Fenster ab, meine nackten Füße werden von den Sonnenstrahlen gekitzelt - was will man mehr.

Während es uns gut geht, haben gestern viele Menschen Todesängste ausgestanden. In Vietnam haben Menschen in Waldhöhlen auf den Weltuntergang gewartet, verzweifelte Familien versammelten sich ein letztes Mal zum Essen und um 18 Uhr Ortszeit passierte - nichts. Wie beim letzten Mal 1994.
Sektierer wie Harold Camping, J. G. Bischoff, Uriella oder die Zeugen Jehovas (auch in diesem Jahr hat es nicht geklappt, Freunde...) machen sich nicht nur an den verängstigten Menschen schuldig, sondern auch vor Gott. Sie behaupten, sich auf Botschaften Gottes oder die Bibel zu stützen.
Na dann, gründlicher lesen, wenn man sich schon auf die Bibel stützt: Markus 13,32: "Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater."

Auf den Spruch werden sich die Propheten dann auch berufen. Oder auf Gottes Gnade. Er hätte sie noch einmal verschont. Er hätte es sich anders überlegt.

Ist recht. Ich geh dann mal spazieren. Mit Strohhut.




*Echter "Kirchen"-Name der Redaktion bekannt.

Sonntag, 26. Dezember 2010

Kinderküsse

26. Dezember - 2. Weihnachtsfeiertag. Das bedeutet: Familientag mit der Familie meines Allerliebsten. Acht Erwachsene und sieben Kinder, das Kleinste ein halbes Jahr alt. Das Mittagsessen wird meist in der Lieblingspizzeria eingenommen, wo man sehr nett aufgenommen wird, das Servicepersonal mir aber jedesmal irgendwelche Pilze im Essen serviert, obwohl ich jedesmal betone, dass ich allergisch dagegen bin.
Heute wieder. Das nächste Mal esse ich Fisch. Ohne alles.
Ich bekam zum Trost einen Gratiskaffee und einen juckenden Ausschlag auf der Kopfhaut.

Bei Großmutterns angekommen, werden Geschenke verteilt und es gibt eine zweite und dritte Bescherung, wobei auch ich nicht leer ausgehe, denn die Mutter meines Liebsten beschenkt mich jedesmal. Letztes Jahr war es ein schöner Schal und dieses Jahr eine Menage à trois mit zwei Luxusölen und einem Balsamessig, da es offensichtlich weiter vorgedrungen ist, dass ich eine leidenschaftliche Köchin bin.

Anschließend wird stundenlang gegessen, was mich vermuten lässt, dass diese Familie italienische Wurzeln hat, vielleicht irgendwo vor achthundert Jahren. Aber es ist jedesmal urgemütlich. Nachdem wir eine Stunde nach Hause durch den Schnee gerutscht waren (ich hasse Autofahren), wurde mir ein Bad eingelassen, Sekt serviert und "Julie und Julia" als DVD eingelegt. Ich liebe diesen Film. Obwohl ich natürlich kein bisschen wie Julie Powell bin, verstehe ich sie nur allzugut: Ich koche auch leidenschaftlich gern Gourmetrezepte, ich liebe ausgefallene Lebensmittel und ich blogge.

Zum Titel dieses Blogs: Irgendwann heute MIttag zwischen Weißweinschorle und versautem Hauptgang rettete ich das Leben meines "Neffen", indem ich den tödlichen Aceto Balsamico von seinen Tortellini entfernte. Er bedanke sich dafür mit einem liebevollen Kuss auf meine Wange und schreckte auch nicht vor einem zweiten zurück.

Ein Elfjähriger, der einem freiwillig einen Kuss gibt? Dafür entferne ich gerne Aceto.

Samstag, 25. Dezember 2010

Heilige Nacht...

Ich sitze im Zug nach Hause. Der Heiligabend begann mit aufgeregten Kinderherzen und stammelnden Freuden. Einer meiner Neffen stand mit mir in der Küche meiner Schwester und schnitt Zutaten für das traditionelle Raclette. Sogar Spargel, obgleich er den „voll eklig“ findet.
Der Kleinste rannte immer zwischen Kinderzimmer, Küche und Wohnzimmertür hin und her und versuchte mir klar zu machen, dass er jetzt unbedingt Geschenke auspacken müsste.
Ich versuche mich daran zu erinnern, wie das damals bei uns war. Bis zu dem Zeitpunkt, als sich alles veränderte. Im nächsten Dezember dann ohne unsere Mutter, aber mit unserem geliebten Vater.
Zuerst waren wir immer bei den Großeltern und gingen dann in den Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche. Wann konnten wir unsere Geschenke auspacken? Ich habe es tatsächlich vergessen. Ich weiß noch, dass wir es taten, freudetrunken, ebenso stammelnd wie meine Jungs es heute tun.
Es hat sich übrigens bewahrheitet. Lieber einige wenige Geschenke und dafür sorgfältig ausgesuchte. Lieber solche, über die sich die anderen richtig freuen, als solche, die am nächsten Tag beiseite gelegt werden. Die Schwester legte die Kette, die ich für sie gemacht hatte, gleich um.
Mein Kleinster jubelte über das Polizeibilderbuch und der Große meinte beim Anblick des Drachenbuches: „Endlich kann ich die Geschichte fertig lesen.“
Es ist ein Weihnachten wie so viele und doch ist jedes Weihnachten eigen. Gutes Essen gibt es immer, auch Jubeln und Freude. Immer baue ich Playmobil oder Legoburgen zusammen, studiere Gebrauchsanweisungen oder singe mit meiner Familie Weihnachtslieder.
Immer vermisse ich denjenigen, der nicht bei uns sein kann.

Und jetzt sitze ich wieder im Zug nach Hause. Mein Netbook, das ich mir selbst zu Weihnachten geschenkt habe, habe ich auf dem Schoß und schreibe diese Zeilen, um sie später ins Netz stellen zu können. Der Zug ist fast leer, nur einige andere, die offensichtlich auch von ihren Familien kommen. Der Schaffner lächelte angesichts der Schnecke aus Gips, die mir mein Neffe gebastelt hat und wünscht mir gleichfalls „Frohe Weihnachten!“.
Geschenke, fragt Ihr? Ein glitzerbuntes Mobile für mein Arbeitszimmerfenster. Einen ausgesägten und bemalten Holzweihnachtsbaum. Eine Gipsschnecke. Einen Gutschein. Ein Kalender mit Fotos von den Kindern. Ein Kuss meines kleinsten Neffen. Schneeflöckchen und freundliche Gespräche mit anderen Wartenden auf dem verschneiten Bahngleis. Die Freude meiner Familie über meine neue Arbeitsstelle. Ein gutes Abendessen und ein köstliches Stück Kuchen. Im Augenblick die Goldbergvariationen, die ich mir vorhin noch auf den Media-Player gespielt habe. Heute Morgen zwei Schokoladen-Eclairs vom Konditor des französischen Cafés, wo ich viel Zeit verbringe, wenn ich welche habe. Eine warme Umarmung von einem befreundeten Geistlichen, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe.
Ich bin so dankbar für alle, die an mich gedacht haben.

Wo immer Ihr seid, ich wünsche Euch alles Gute und – trotz und alledem – gesegnete und fröhliche Weihnachten. Oder um es mit den alten Segensworten zu sagen:

Der Herr segne und behüte Euch, der Herr lasse sein Angesicht über Euch leuchten und sei Euch gnädig. Der Herr wende Euch sein Antlitz zu und schenke Euch sein Heil.
Und mit dem Gruß der Franziskanischen Familie, zu der ich auch gehöre: Pace e Bene!

Dienstag, 21. Dezember 2010

Weihnachtsgedanken

Als ich heute Morgen das Radio einschaltete, war ich relativ schnell relativ sauer.

Einmal mehr wurden eine Anzahl von Menschen vorgeführt, denen Weihnachten nach Ansage der Sprecher nichts bis gar nichts bedeutete. Diese Menschen wurden nach Slapstick-Manier mit „Häähh?“ oder „Hmmm?“-Lauten unterlegt. Was lässt sich zu diesem Akt der Lächerlichkeitmachung sagen? Natürlich bedeutet nicht jedem Menschen das Weihnachtsfest gleichviel und die einen wissen vielleicht mehr davon als die anderen.
Ich als praktizierende und glaubende Christin kann mit den Riten und Bräuchen meiner Kirche mehr anfangen und ich weiß auch mehr über die zahlreichen Stellen in der Bibel, die mit Weihnachten in Verbindung gebracht werden, als andere. Und ich wette mit Euch, selbst wenn ich nicht noch wissenschaftlich theologisch vorgebildet wäre, wüsste ich noch mehr über die Weihnachtslieder und ihre Inhalte als die Moderatoren, die die Texte der Hymnen und Lieder von ihrer Computerscreen ablesen und sich über andere Menschen lustig machen.

Mir ist es eigentlich gleichgültig, ob der eine Weihnachten als Fest der Christgeburt empfindet und der andere als Rauschereignis oder römisches Saturnal. Ein Zeuge Jehovas überreichte mir neulich eine Kampfschrift, die mich davor warnte, dass man eigentlich sowieso nicht genau wissen könnte, ob das alles so wahr sei und dass man davon abkommen sollte, Weihnachten zu feiern. Ich entgegnete dem freundlichen Herrn, dass ich das anders sähe und eigentlich das ganze Jahr Weihnachten feiern würde. Er starrte mich ziemlich entgeistert an, was ich ihm nicht verdenken kann.

Mein Weihnachtsfest hat nichts mit rotgoldener Glückseligkeit zu tun oder damit, dass einmal im Jahr die ganze Familie zusammenkommt und die Kinder schwindlig beschenkt. Es geht mir nicht um das gute Essen und auch nicht um den Gottesdienst oder die Lieder, auch wenn die mich als Musikerin in einen rauschhaften Zustand der Seligkeit versetzen und ich regelmäßig in Tränen ausbreche. Es geht nicht um Schokolade oder Spekulatius (wobei ich inzwischen begriffen habe, dass der bereits ab Sommer verkauft wird, um das Mindesthaltbarkeitsdatum auszunutzen), oder um Eierpunsch und Champagner. Genauso wenig geht es mir an Ostern um bunte Eier oder Hefekranz, am Valentinstag um Blumen und rote Herzen.

Am leichtesten lässt sich das wohl mit dem Muttertag erklären. Meine Mutter ist nun seit mehr als 25 Jahren tot, eine lange und schreckliche Zeit. Aber an die Mutter nur zu denken, wenn ein bestimmter Tag im Jahr herankommt und dann noch hastig Blumen am Bahnhof zu kaufen... nein. Das war noch nie mein Fall. Die Erinnerung an meine Mutter kommt manchmal unverhofft und schmerzhaft, zum Beispiel wenn ich meine Neffen spielen sehe oder ich etwas Wunderschönes in meinem Leben habe, von dem ich ihr gerne berichten würde. Die Erinnerung an meine Mutter ist immer irgendwie da, wie ein leichter Schmerz, der nicht weggeht. An manchen Tagen ist er stärker, an den meisten schwächer. Weitaus schlimmer ist für mich, dass ich mich an so wenige glückliche Augenblicke mit ihr erinnern kann, in denen sie mich auf dem Schoß hatte oder ich an ihrer Hand ging. Wenn ich eine solche Erinnerung wachrufen kann, ist die Liebe für sie wieder da. Die ich damals, als kleines Mädchen nicht verstehen konnte und doch tief in mir trug.

Als ich zum ersten Mal begriff, was Weihnachten und auch Ostern in sich trägt, war ich schon erwachsen. Vielleicht ist auch das normal. Ich saß in einer kalten Osternacht in der Kirche und durchlebte die Lesungen und die Lichtwerdung, bis ich die gesungene Totenwache schließlich in die aufwachende Osterfreude übergehen lassen konnte.
Wenn am Gründonnerstag das Letzte Abendmahl gefeiert und am Karfreitag der Tod Christi beweint wird, kann man ergriffen sein. Ich verstehe jeden, der damit nichts anfangen kann und ich akzeptiere jeden Atheismus. Warum auch nicht? Ich glaube schließlich auch nicht an alle Dinge. Ich glaube beispielsweise nicht daran, dass ich jemals reich werde oder berühmt oder insgeheim zweifle ich auch daran, dass ich jemals heirate, aber was soll's?
Weihnachten und die Adventszeit sind für mich nicht die Zeit unbegrenzten Konsums. Wir haben schon vor Jahren aufgehört, uns gegenseitig etwas zu schenken. Es sind meistens nur Kleinigkeiten, aber die erfreuen mich umso mehr. Beispielsweise wenn meine Neffen sich einen Nachmittag oder zwei hinsetzen und mir etwas basteln. Letztes Jahr bekam ich eine Halskette, davor einen Kerzenleuchter und der Kleinste malt mir abstrakte Bilder, in denen irgendwo ein Strichmännchen mit wild abstehenden Haaren auftaucht, das ein anderes, winziges Strichmännchen an der Hand hat. Und er erklärt: „Das is Rilla mit Pim. Dehn sbaziere.“
Natürlich erinnere ich mich an den Jubel meiner Kinderzeit, wenn ich vor mir die bunten Päckchen fand. Oft waren sie viel zu schnell ausgepackt, was aber weniger an der Anzahl, als an der Lust des Auspackens lag.
Meine Neffen bekommen jedes Jahr zwei Geschenke von mir, ein normales und ein kleines. Das kleine enthält immer Fußballbilder oder Pokémon-Karten für 50 Cent. Warum auch nicht? Die Freude über das Betrachten, Tauschen und Verschenken ist meist groß. Manche Dinge werden wohl niemals unmodern. Das große wird sorgfältig ausgesucht. Ich frage danach, was sie gerade lesen, was sie interessiert. Was beschäftigt die Jungs von heute? Nicht die großen, atemberaubenden Wünsche sind mir wichtig, sondern die, bei denen ich weiß, die halten noch lange an.

Auch ich bin wieder dem Basteln verfallen. Ich male und bastele zierlichen Schmuck, ich stelle Kalender zusammen, suche Gedenksprüche oder Gedichte heraus, versuche mir vorzustellen, was den Einzelnen interessiert. Wenn ich dann am Heiligen Abend sehe, dass sich jemand länger als eine Minute mit meinem Geschenk beschäftigt und sich entspannt zurücklehnt und darin blättert, schmunzelt, es ansieht und untersucht, dann bedeutet das mir sehr viel. In mageren Zeiten habe ich mir vorgenommen, nicht mehr als 50 Euro für Geschenke auszugeben, das schaffe ich jetzt auch noch. Lieber wenig und richtig, als viel und unbedacht.
Mir geht es ebenso. Ich bekomme vor Weihnachten oft Dutzende Tafeln Schokolade geschenkt, die ich meistens gar nicht essen möchte, aber ich freue mich. Einmal hat mir eine Schülerin eine Schachtel Pralinen vorbeigebracht. Ich weiß, dass sie jeden Euro sparen muss, deswegen war die billige Packung Pralinen aus dem Discounter für mich ein teures Geschenk.
Einmal bekam ich eine einzelne rote Rose von einem Muslim, der meinte: „Zu deinem Fest alles Gute.“ Dass ich im Unterricht die einzelnen Glaubensrichtungen mit einem tiefen Respekt vorgestellt hatte und gleichzeitig auf die Gemeinsamkeiten der abrahamitischen Religionen hinwies, schien ihn doch beeindruckt zu haben. Dafür habe ich ihm dann zum Zuckerfest gratuliert und im Ramadan ein Auge zugedrückt, wenn er vor lauter Hunger mal wieder kurz vor dem Wegnicken war.

Den meisten Leuten schenke ich gar nichts. Ich erinnere mich an eine Fernsehsendung, in der eine Taxifahrerin Berge von Werbegeschenken für ihre Kundschaft durch die Gegend fuhr und total gehetzt zu Hause ankam. So etwas will ich für mich nicht. Ich möchte etwas von dem tiefen Frieden, den der Advent in sich trägt, spüren und mitnehmen. Ich möchte langsam auf das Fest zugehen, so wie ich es in einem Zisterzienserkloster erlebt habe. Es war eine stille Zeit, von der Dunkelheit geprägt, obgleich die Gesänge der Mönche vom kommenden Licht erzählten.
Nichts anderes ist der Advent: Die Erwartung des Lichtes, das Warten auf den Augenblick. Wenn ich dann die Weihnachtsgeschichte, jenes ferne und doch immer wieder neuartige Märchen höre, bin ich für einen Augenblick gerührt.

Der Frieden ist in mir, wenn ich ihn suche. Weihnachten ist und bleibt mir still und warm und ruhig.


Ich wünsche Euch allen, ganz gleich, wie Euer Weihnachten ist, Frieden und Momente des Glücks.

Impuls

Freue dich über jeden Morgen, an dem sich ein friedlicher Himmel über dich wölbt. Geniesse den Tag, an dem du satt wirst an Leib und Seele, und atme das Glück von Freundschaft und Liebe ein wie den zarten Duft des erwachenden Frühlings. Koste jeden frohen Augenblick aus, und du wirst spüren, was es heisst, das Leben zu lieben. Christa Spilling-Nötker

Spruch des Tages

"Ihr singt mal wieder wie ziviler Ungehorsam." (Ein nicht zu nennender Dirigent)

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