Montag, 19. Oktober 2015

Heimatlos zu Hause

Letzte Woche hatte mein Vater Geburtstag, was für mich seit jeher einen besonderen Feiertag darstellte, der mich aber seit seinem Tod immer für die gesamte Woche fertig macht.
Da am nächsten Tag mein jüngster Neffe Geburtstag hatte und diverse Legobausätze auf ihre Fertigstellung warteten, fuhr ich also mit meinem Männe "nach Hause", um erst Geburtstagsblumen und eine Geburtstagskerze zum Grab meines Vaters zu bringen und anschließend meinem Kleinen Geburtstagslego zu überreichen.

Es regnete, war kalt, die Bäume warfen mit Blättern nur so um sich und in der Stadt, in der ich aufgewachsen war, hatte keine einzige Bäckerei mehr geöffnet, obwohl es vor 14 Uhr war. Schlecht, wenn man sich vorgenommen hat, etwas zum Kaffeetrinken mitzubringen.

Als ich am Grab stand und hinauf zum Wald blickte, den ich so liebe, wurde mir ganz anders. Wie lange standen wir dort? Ein paar Minuten?
Ich bin mir sicher, mein Vater hat verstanden, daß ich dort wegmusste, weil ich sonst zusammengebrochen wäre. Mir kommen eigentlich jedes Mal die Tränen, wenn ich am Grab stehe, aber an diesem Nachmittag war es mal wieder besonders schlimm. Dann fuhren wir durch die Stadt, ich zeigte auf Häuser, die ich kannte, vermisste Geschäfte, in denen ich früher eingekauft hatte und war schockiert, daß die meisten anderen bereits um zwei geschlossen hatten.
Bei meiner Familie und dem zweiten, kleinen Geburtstagskind war es dann schön, aber als wir im Regen wieder davon fuhren, brachen bei mir sämtliche Dämme, als ich an den Plätzen vorbeikamen, an denen ich mit meinem Vater immer spazieren gegangen war, an denen er mir meine Heimat bekannt machte, wo ich lernte, was es bedeutet, seine Heimat zu respektieren und zu lieben. Ich erkannte die alten Keltengräber in den Wiesen, erinnerte mich an einen Spaziergang, bei dem mich fast ein Hirsch erlegt hatte (nicht umgekehrt!!!) und dachte daran, wie mein Vater mit mir in einem kleinen Restaurant in einem benachbarten Dorf gegessen hatte.
Und mir wurde klar, daß ich weder ein Zuhause habe, noch eine Heimat. Natürlich scheint die Idee krass ausgedrückt: Ich bin am See zu Hause, habe meine Freunde dort und auch die Liebe gibt mir eine Heimat. Ich habe ein Zuhause in meinen Schulen und vielleicht auch in den Herzen meiner Freunde.
Aber was ist von meinem alten Heim geworden? Was aus der Idee der Heimat? Oftmals versuche ich meinen Schülern im Deutschunterricht verständlich zu machen, was diese beiden typisch deutschen Vokabeln beinhalten.

Heimat ist vielleicht weniger das Haus, in dem man aufgewachsen ist, als die verwurzelte Liebe zu einer Emotion.

Und wenn man nichts mehr von dem wiedererkennt, was einem einmal so lieb und teuer war, was bleibt dann noch?

Wir fuhren also wieder nach Hause, durch die Wälder, die ich einst so gut kannte, an Häusern vorbei, an meiner Grundschule und dem Gymnasium, an unserem Haus, in dem nun andere Menschen wohnen, an den Hügeln, auf denen ich bei meinen Wanderungen so oft gesungen hatte.

Und mir kamen die Tränen...

All ihr Entwurzelten, ihr Heimatlosen, ihr Neueinwohner, ständig Umzieher... geht euch das genauso? Sucht ihr manchmal auch noch nach eurem Zuhause? Sehnt ihr euch auch nach etwas, was vielleicht nur eine romantische Utopie ist?

Ich wünsche euch, daß es euch wie mir geht: Daß ihr wenigstens in euren Träumen wieder dorthin zurückkehren könnt, was ihr geliebt habt. Und sei es auch nur ein Quadratmeter Erde am Waldrand.

Oder ein Gefühl.

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Impuls

Freue dich über jeden Morgen, an dem sich ein friedlicher Himmel über dich wölbt. Geniesse den Tag, an dem du satt wirst an Leib und Seele, und atme das Glück von Freundschaft und Liebe ein wie den zarten Duft des erwachenden Frühlings. Koste jeden frohen Augenblick aus, und du wirst spüren, was es heisst, das Leben zu lieben. Christa Spilling-Nötker

Spruch des Tages

"Ihr singt mal wieder wie ziviler Ungehorsam." (Ein nicht zu nennender Dirigent)

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