Weltuntergangsstimmung
Am Freitag las ich einmal mehr die Zug-Zeitung der Schweiz, die schlimmer ist als "Guck", "Blup" und "Blind" zusammen und erfuhr, dass am 21. Mai (mal wieder) der Weltuntergang bevorstünde.
Da ich ja nun aus einer Sekte wegkonvertiert bin, ist mir der Weltuntergang ein vertrautes Phänomen und ich wuchs mit den grauenvollen Beteuerungen meiner gläubigen Verwandten und der "Brüder" aus der "Neuschwafologischen Klitsche"* auf, die mir versicherten, das Tausendjährige Reich stünde täglich bevor und man müsste ja immer die Wohnung aufgeräumt haben, dürfe nicht ins Kino oder die Disko gehen und ein Fremdgläubiger sei ja ohnehin verloren. Gut, dass meine Eltern und wir das so nicht mitmachten.
Nun, gestern war es wieder so weit. Wir standen auf und frühstückten. Ich zog mein neues Sommerkleid an und wir gingen in die Stadt, wo ich zunächst für unseren Italienurlaub einen wunderhübschen breitkrampigen Strohhut erstand und wir dann auf dem Markt einkauften. Anschliessend setzten wir uns ins "Café Wichtig" und tranken Weisswein.
Abends besuchten wir das Theater und hatten zuvor noch ein ausgiebiges Dinner, zu dem ich mein (ebenfalls neues - was soll man machen, wenn man nach 30 Kilo Abnahme in nichts mehr reinpasst??? - Abendkleid anzog) und genossen den Abend.
Um etwa 23 Uhr donnerte es apokalyptisch, es war aber nur ein Feuerwerk über Neu-Ulm.
Heute Morgen erwachten wir mit Vogelgezwitscher und Sonnenschein und gehen gleich spazieren. Auf dem Tisch steht ein Teller mit saftigen gelben Birnen, die Sauerbraten-Marinade für nächste Woche kühlt vor dem Fenster ab, meine nackten Füße werden von den Sonnenstrahlen gekitzelt - was will man mehr.
Während es uns gut geht, haben gestern viele Menschen Todesängste ausgestanden. In Vietnam haben Menschen in Waldhöhlen auf den Weltuntergang gewartet, verzweifelte Familien versammelten sich ein letztes Mal zum Essen und um 18 Uhr Ortszeit passierte - nichts. Wie beim letzten Mal 1994.
Sektierer wie Harold Camping, J. G. Bischoff, Uriella oder die Zeugen Jehovas (auch in diesem Jahr hat es nicht geklappt, Freunde...) machen sich nicht nur an den verängstigten Menschen schuldig, sondern auch vor Gott. Sie behaupten, sich auf Botschaften Gottes oder die Bibel zu stützen.
Na dann, gründlicher lesen, wenn man sich schon auf die Bibel stützt: Markus 13,32: "Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater."
Auf den Spruch werden sich die Propheten dann auch berufen. Oder auf Gottes Gnade. Er hätte sie noch einmal verschont. Er hätte es sich anders überlegt.
Ist recht. Ich geh dann mal spazieren. Mit Strohhut.
*Echter "Kirchen"-Name der Redaktion bekannt.
Rilla - 22. Mai, 11:09